Wo das Törggelen herkommt...

Paul Huber, Buschenschankwirt am „Griesserhof“ und Weinbauer, über den Ursprung des Törggelen, lebenslange Kastanienfreundschaften – und über Zeitgeist mit Tradition

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Paul, wie ging das los mit den Buschenschänken und dem Törggelen um Brixen und im Eisacktal?

Der Ursprung des Törggelen liegt weit zurück. Der Begriff kommt von „Torggl“, was wiederum „Weinpresse“ bedeutet. Damals sind die Bauern hier aus der Umgebung im Herbst von Hof zu Hof gewandert, haben gegenseitig den neuen Wein, dem Most, verkostet und dazu Speck und Wurst gegessen. Irgendwann kamen nicht nur Bauern, sondern Gäste und Touristen. Bald gab es die ersten Buschenschänke.

Deine erste Törggele-Erinnerung …

Es war einfach Teil des Familienlebens. Das ganze Jahr gehörte die Stube uns Kindern, im Herbst gehörte sie den Gästen. Alle Spielsachen waren weggeräumt! Der Gast war stets König, für uns hatten die Eltern keine Zeit mehr. Das war nicht schön. Schön war, dass es den ganzen Tag zu essen in Hülle und Fülle gab: die Krapfen! Das ganze Haus roch wochenlang nach Sauerkraut – selbst unter der Bettdecke. Heißer Schmalz, das Rauchige des Holzherdes. Wir Kinder spielten mit den Kindern der Gäste, brieten gemeinsam die Kastanien. Freundschaften kamen zustande, die bis heute bestehen.

Eine Zeit lang setzten viele Buschenschänke auf Masse und preisgünstige Verköstigung für Busladungen voller Touristen. Hauptsache billig und viel. Ein Gelage! Das hat sich geändert. Wie und warum? 

Das war schrecklich! Da sah es in unseren alten Stuben abends aus, wie nach einem Zeltfest. Was gegessen wurde, war egal. Zum Billigspeck wurde Cola gereicht. Irgendwann hat das zum Glück niemanden mehr gewollt. Die Wirte nicht – und auch mehr und mehr Gäste nicht. Man hat erkannt, dass im Törggelen ein viel schöneres und größeres Potential steckt, wenn man es richtig und gut macht. Mit exzellenten, wertigen Produkten. Die Plattform „Roter Hahn“ hat alles verändert.

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„Die werden gebraten, wenn sie vom Baum fallen!“

„Roter Hahn“, was ist das?

Unter dem Namen haben sich zahlreiche Buschenschänke zusammengetan, einen regionalen Kreislauf in Gang gesetzt und einige Regeln beschlossen: Ein Buschenschank ist ein Hof, an dem größtenteils eigene Schlutzer, eigene Würste, eigene Rippchen, eigenes Kraut, eigene Krapfen, eigene Kastanien auf den Tisch kommen – oder Produkte aus benachbarten Höfen. Außerdem sollte der Wein bestenfalls vom Hof kommen. Ich weiß bei jedem meiner Lebensmittel, wer es produziert. Nie im Leben wird es bei mir Kastanien geben, wenn sie hier am Hof noch nicht reif sind. Ich kaufe keine von irgendwoher. Die werden gebraten, wenn sie draußen vor der Tür vom Baum fallen. Basta! Das Törggelen sollte zudem traditionsgerecht in einer typischen Bauernstube stattfinden. Traditionell im Herbst, wenn die Tage kürzer werden, wenn die Blätter sich bunt färben, wenn alles reift.

Was macht die Mischung aus Tradition und Moderne heute und in Zukunft aus?

Der reduzierte Teller entspricht ganz sicher dem Zeitgeist. Erdäpfelblattl’n mit Sauerkraut, gut gemacht, da braucht es sonst nichts. Die Ausstattung darf heute ruhig etwas gehobener sein – in Kombination mit der jahrhundertealten Stube. Unsere Eisacktaler Eigenbauweine sind heute exzellent, die haben es verdient, aus einem guten Glas getrunken zu werden. Auch das Frühjahr kann im Törggelen sicher bald eine größere Rolle spielen. Viele Höfe bieten Fleisch an, auch Kräuter und eine Gemüsevielfalt, die sich auch nach den Wintermonaten wunderbar genießen lassen. Die ganze Vielfalt der Südtiroler Küche, die beinahe vergessen worden ist, wird von uns Buschenschankwirten nun neu belebt. Das Törggelen wird noch mehr auf Genuss setzen: wandern, einkehren, gut essen.

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